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Die legendäre Cousine: La Marquise de Sévigné

Lernen Sie ein berühmtes Mitglied der Familie Bussy-Rabutin kennen: Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sévigné. Die Cousine und Vertraute des impertinenten Comte Roger de Bussy-Rabutin war eine privilegierte Zeugin ihrer Zeit und die Chronistin schlechthin des 17. Jahrhunderts.

Von der Demoiselle de Bourgogne zur Marquise

Die Demoiselle de Bourgogne

Zwar kennt heute jeder die berühmte Marquise aufgrund ihrer beeindruckenden Korrespondenz mit ihrer Tochter, Madame de Grignan, aber allein auf das kann man sie nicht reduzieren. Die höchst gebildete und von ihren Standesgenossen anerkannte Literatin war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts!

Die am 5. Februar 1626 geborene Marie wird sehr früh Waise: Ihre Mutter stirbt bei der Geburt und der Vater einige Jahre später bei der Belagerung von La Rochelle.
Sie erbt ein stattliches Vermögen und wird liebevoll von der Familie ihrer Mutter, den Coulanges, aufgezogen. Auf ihre Bildung wird wert gelegt. Ihr Onkel, Christophe de Coulanges, beaufsichtigt ihre Studien und bringt ihr insbesondere Italienisch, Latein und Spanisch bei.

Mit der Familie väterlicherseits, den Rabutin, hat sie nur wenig Kontakt. Die Coulanges misstrauen deren riskanter Finanzverwaltung und weigern sich aus diesem Grund, eine Ehe der jungen Marie mit ihrem geistreichen Cousin Roger zu arrangieren.

So hat die „Demoiselle de Bourgogne“ letztendlich nur sehr kurz im Burgund gelebt!

Portrait de la marquise de Sévigné à l'âge de 18 ans
Portrait de la marquise de Sévigné à l'âge de 18 ans

© Benjamin Gavaudo / Centre des monuments nationaux

Von Rabutin zu Sévigné: Eine riskante Heirat

Mit 18 Jahren heiratet Marie den aus einer alten und ehrwürdigen Familie des bretonischen Adels stammenden Henri de Sévigné. Sie bekommen zwei Kinder: ein Mädchen, Françoise, und einen Jungen, Charles.

Eine gute Abstammung und gutes Aussehen reichen jedoch nicht aus, um aus einem Mann einen guten Ehemann zu machen: Die junge Marquise de Sévigné muss dies zu ihrem großen Leid schon bald am eigenen Leib erfahren.

Der verschwenderische Frauenheld Henri de Sévigné vergeht sich an dem Vermögen der jungen Frau: Schließlich stirbt er bei einem Duell für die schönen Augen einer seiner Geliebten.

Portrait de Madame de Sévigné au moment de son veuvage (25 ans)
Portrait de Madame de Sévigné au moment de son veuvage

©Base Regards / Centre des monuments nationaux

Endlich Witwe!

Mit nur 25 Jahren wird die Marquise de Sévigné zur Witwe,was eine Befreiung ist: Sie ist jetzt von keinem Mann mehr abhängig und kann ihr Leben so gestalten, wie sie möchte. In dieser stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft ist dies eine der wenigen Möglichkeiten, der männlichen Vormundschaft zu entkommen.

Madame de Sévigné steht der Bewegung der Précieuses sehr nahe. Sie lässt sich im Stadtpalais Hôtel Carnavalet nieder und verkehrt fleißig in den Pariser Salons, wo sie sich mit den bekanntesten Persönlichkeiten der Hauptstadt anfreundet. Ihre beste Freundin ist Madame de Lafayette (Autorin des berühmten Romans Die Prinzessin von Clèves); sie ist eine Vertraute des Poeten Voiture und steht auch wohlgemerkt ihrem flamboyanten Cousin, Roger, nahe, mit dem sie über mehr als vierzig Jahre hinweg eine beeindruckende Korrespondenz pflegt.

Sie entdeckt, dass sie dieses Pariser Leben leider nur sehr bedingt genießen kann: Ihr Ehemann hat ihr Vermögen durchgebracht und sie muss ihr bescheidenes Budget mit eiserner Hand verwalten.

Somit ist sie gezwungen, die meiste Zeit auf ihrem Gut Les Rochers in der Bretagne zu bleiben.

Devise de la cruche d'eau (Mme de Sévigné) se déversant sur la chaux vive (Roger de Rabutin) : plus elle me refroidit, plus je m'enflamme

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

Die Briefschreiberin

Die Geburt als Briefschreiberin

Um sich die Zeit in der Bretagne zu vertreiben, beginnt Madame de Sévigné wie ihr langjähriger Vertrauter, Roger de Rabutin, zu schreiben und beginnt… rein zufällig eine Karriere als Briefschreiberin!

Ihre Briefe sind heiter, lebendig, geistreich, pricklig: Sie gefallen und die Marquise übt sich regelmäßig in dieser Disziplin.
Mit ihrem impertinenten Cousin erfindet Sie den Stil Rabutinage oder die Kunst, einem Korrespondenten mit der schönsten Formulierung und der schärfsten Spitze die Sprache zu verschlagen. 
Roger de Rabutin irrt sich nicht: Er versichert, dass Marie de Sévigné echtes literarisches Talent besitzt, und fördert ihren Durchbruch als Briefschreiberin nach Kräften. Insbesondere erstellt er von ihren Schreiben stets vier Abschriften und motiviert seine Kinder wie auch die der Marquise, sie aufzubewahren und nach ihrem Tod zu veröffentlichen.
 

Portrait allégorique de Roger de Rabutin en costume antique
Portrait allégorique de Roger de Rabutin

© Reproduction Hervé Lewandowski / CMN

1671, das dramatische Jahr

1671 findet die Hochzeit von Françoise de Sévigné mit François Adhémar de Morteil de Grignan statt: Ein Drama für die Marquise!

Ihre geliebte Tochter verlässt die Heimstatt, um ihrem Gatten zu folgen und sich im Schloss von Grignan in der Provence niederzulassen. Die beiden Frauen beginnen daraufhin eine eifrige Korrespondenz. In 20 Jahren schicken sie sich über sechshundert Briefe.
Die Stärke der Marquise? Sie versteht es nicht nur, mit der Feder alle Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die sie bewegen, sondern auch die Lebendigkeit, Wirklichkeit und Vielfalt ihres Jahrhunderts!

Sie ist viel mehr als nur eine sich nach ihrem Kind sehnende Mutter, sie ist insbesondere die Reporterin ihrer Epoche. Sie ist eine Frau, die Zugang zu allen Gesellschaftskreisen hat, eine treue Freundin, eine unverbesserliche „Fashionista“, die vor allem mit einer beeindrucken Anzahl von Personen korrespondiert.

Sie schildert in ihren Briefen ebenso gut die großen Skandale ihrer Zeit (die Giftaffäre) wie auch den pikantesten Klatsch (Bekanntgabe der Vermählung der unter dem Beinamen Grande Mademoiselle bekannten Duchesse de Montpensier mit dem Duc de Lauzun), ohne den Prozess von Fouquet (als treue Freundin transkribierte sie fast jede Minute) oder die neuesten Modetrends auszulassen (laben Sie sich an ihrer Korrespondenz rund um die Schokolade).

Die Nachwelt täuscht sich nicht: Ihre Korrespondenz, die privat bleiben sollte, wird ab dem 18. Jh. veröffentlicht und der Marquise den Status der Starbriefschreiberin des 17. Jahrhunderts verleihen.

Détails du triptyque des femmes de la famille Rabutin : à gauche, portrait de Madame de Grignan et à droite, sa mère Madame de Sévigné
Portraits de Madame de Sévigné (à droite) et de sa fille, Madame de Grignan

©Base Regards / Centre des monuments nationaux

Das Ende einer Ära

1690 markiert das Ende einer Ära, sowohl am Hof wie auch im privaten Umfeld der Marquise.

Am Hof ereilt den König und seine Familie eine wahre Unglücksserie. Der König muss mitansehen, wie einer nach dem anderen seiner Lieben und Nachkommen verstirbt, sodass Versailles in einer Traueratmosphäre versinkt.

Madame de Sévigné muss ihrerseits mitansehen, wie ihr engster Freundeskreis dahinschwindet, allen voran ihre alten Vertrauten Madame de Lafayette und Roger de Rabutin.
Sie stirbt 1696 zurückgezogen bei ihrer geliebten Tochter in Grignan.

Haben Sie Lust, den Schreibstil Rabutinage zu entdecken? Wie wäre es dann mit einem Besuch von Schloss Bussy-Rabutin im Burgund?

Détails du plafond de la Tour Dorée : au premier registres, les Quatre Saisons avec les visages des femmes Rabutin alternant avec des guerriers portant le blason de la famille ; au second registre, monogramme du comte et de sa maîtresse alternant avec des étendards de fleurs de lys ; au centre, une devise d'un aigle (le roi) attaquant un perdreau (le comte) Il déploie ses ailes pour le massacre
Détail du plafond en caissons peints du château de Bussy-Rabutin

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

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