Unverzichtbar
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In seinem Schloss der Tausend und ein Porträts erstellt der Comte Roger de Rabutin eine echte Enzyklopädie des Genres und gleichzeitig einen Vorläufer von „Facebook“! Möchten Sie das soziale Netzwerk des flamboyanten Burgunders erkunden?
Roger de Bussy-Rabutin weigert sich, während seines Exils in Vergessenheit zu geraten, und schafft in seinem Herrensitz nicht nur das Who’s Who seiner Epoche, sondern vor allem eine Übersicht des Porträts als Bildergenre.
So finden sich in den adeligen Gemächern:
©Base Regards / Centre des monuments nationaux
Roger de Rabutin schafft sein Dekor mit einem konkreten Ziel: Die Welt des französischen Hofs, von dem er ausgeschlossen wurde, nachzubilden. Das Vergessen lehnt er ab und versucht, sich mit Porträts von wichtigen Persönlichkeiten zu trösten, welche die Wände im ersten Stock schmücken. Auf diese Weise vollbringt er die Meisterleistung, die Atmosphäre des Hofs in seinem Herrensitz im Burgund aufleben zu lassen.
Masse statt Klasse: Weder ist ein bekannter Künstlername zu finden noch sind die Gemälde signiert. Wahrscheinlich kam während des ganzen 17-jährigen Exils ein bedeutendes regionales Unternehmen zum Einsatz. Die beschäftigten Maler haben die von ihnen gemalten Personen nie gesehen: Sie stützen sich auf mehr oder weniger wahrheitsgetreue Gravuren unterschiedlicher Qualität (so ist Madame de Montespan im Gemälde unten links am Kamin im Schlafzimmer von Bussy unvorteilhaft dargestellt). Es handelt sich um Kopien von Kopien, was den Eindruck eines Déjà-vu verstärkt, der sich beim Anblick der Wände mit den vielfältigen Bildnissen einstellen kann.
Der homogene Stil ist in den Porträts der Militärangehörigen oder königlichen Geliebten erkennbar, deren Gesichter identisch erscheinen. Allein die Damen im Goldenen Turm unterscheiden sich in plastischer Hinsicht: Aus zuverlässigen Quellen wissen wir, dass ihre Porträts in Versailler Ateliers entstanden sind. Auf einen Schelm anderthalbe! Um sie von seinen „hübschen Freundinnen“ (wie er sie nennt) zu erhalten, informiert Roger de Rabutin die größte Klatschbase am Hofe (ihren Namen verschweigt er natürlich!), dass er dabei ist, ein großartiges Arbeitszimmer zu schaffen, wo er Porträts von Frauen aufhängen wird, die ihm freundlicherweise eins zukommen lassen. Das stimmt zwar ganz und gar nicht, aber diese Damen fallen alle darauf herein, lassen sich porträtieren und schenken ihm ihre Porträts! Der Graf bleibt seinen alten Gewohnheiten treu: Unter jedem Gemälde lässt er einen äußerst treffenden Spruch anbringen!
© Reproduction Hervé Lewandowski / CMN
Das Ziel des Grafen ist, seine verlorene Umgebung, die Gesellschaft, in welcher er bisher verkehrte, nachzubilden.
Der erste Stock ist das Who’s Who des 17. Jahrhunderts; man könnte ihn fast einer Facebook-Pinnwand gleichstellen. Ein Vergleich, der durch die sehr regelmäßigen, mehr oder weniger ätzenden Beschriftungen, die Roger de Rabutin unter den Porträts angebracht hat, noch verstärkt wird
So widersteht er nicht der Versuchung, seine ehemalige Geliebte, Isabelle Cécile Hurault de Cheverny, Marquise de Montglas, anzuprangern,
„durch deren Unbeständigkeit die Matrone von Ephesus, die Frauen von Aistulf und Giocondo wieder zu neuen Ehren gekommen sind“!
Da all diese illustren Damen zu den Treulosesten der Antike zählen, meint er damit, dass eine schlimmer als die andere ist.
Und was soll man zur Hauptfigur der L‘Histoire Amoureuse des Gaules sagen: Er versichert, dass Catherine d’Olone (Codename: Ardelise)
„die schönste Frau ihrer Zeit sei, die jedoch weniger für ihre Schönheit berühmt war, als für den Gebrauch, den sie davon machte!“
Selbst die Mitglieder seiner Familie fallen seiner Verve zum Opfer: So hatte sein Bruder, Guy de Rabutin, „eine etwas verdorbene Taille“…
© David Bordes / Centre des monuments nationaux
In seinem Schloss, dass an eine autobiografische Bildgeschichte erinnert, vermischt Roger de Rabutin auf brillante Weise bildhafte und literarische Porträts.
Er erweist den diversen Persönlichkeiten, die die Wände zieren, eine doppelte Hommage: Unter ihrem bildhaften Porträt beschreibt er sie mit spitzer Feder und verleiht somit eine gewisse Couleur, einen unvergleichlichen Reiz wie auch den Eindruck, dass er immer noch da und bereit sei, uns seit mehreren Jahrhunderten verstorbene Persönlichkeiten vorzustellen und nahezubringen!
Colombe Clier / Centre des monuments nationaux (Zentrum für nationale Denkmäler)