Unverzichtbar

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Devisen als Therapie

Mögen Sie Geheimnisse? Dechiffrieren Sie gerne? Dann zögern Sie nicht mehr, der Saal der Leitsprüche wartet darauf, dass Sie all seine Geheimnisse lüften! Lassen Sie sich vom scharfen Verstand von Roger de Rabutin überraschen.

Devisen? Sie meinen Devisen?

Die Kunst der Devisen

Eine Devise ist die sinnbildliche Darstellung einer Idee in Verbindung mit einem Satz zum Gedenken an einen Anlass, ein Gefühl oder eine Person. 

Der Graf treibt dieses Spiel in seinem Herrensitz auf die Spitze: Dort finden sich achtunddreißig Devisen, die das von Finesse und Erhebung durchdrängte Ideal des aristokratischen Geistes vorführen und dabei die große Sensibilität und Kultiviertheit des burgundischen Edelmannes offenbaren. 

Sie befinden sich hauptsächlich im Salle des Devises (Saal der Leitsprüche), einem der sicherlich geheimnisvollsten Räume dieses Gebäudes. Er ist ein Zeugnis der jesuitischen Erziehung von Roger de Rabutin, da er darin die Übungen zum Jahresende nachempfindet, an die ihn seine Lehrer gewöhnt haben. So kann er seine große Belesenheit unter Beweis stellen und er lässt es sich auch nicht nehmen, das Spiel komplizierter zu gestalten, indem er sich dazu entscheidet, die Kernsprüche in vier Sprachen zu verfassen: Französisch und Latein, aber auch Spanisch und Italienisch.

Salle des devises : portrait en armure du comte au-dessus de la cheminée entourée par des demeures royales au registre supérieur et des devises au registre médian
Salle des devises

© Philippe Berthé / Centre des monuments nationaux

Wer mich beißt, wird schreien.

Der Charakter des Grafen

Dieses beeindruckende Dekor umfasst vier Themenbereiche. Der erste dreht sich um den Charakter des Grafen.

Roger de Rabutin ist sich völlig klar darüber, dass ihm seine impulsive Art und seine hohe Meinung von sich selbst wahrscheinlich keine Pluspunkte bei Ludwig XIV. einbringen. Aber als freimütiger und freier Mensch bleibt er seinem Charakter treu. 
Wehe denen, die ihn verunglimpfen, denn sie werden seinen Zorn spüren! Wie es sich für einen guten Kriegsherren gehört, schlägt der Graf nach jedem Angriff zurück: So warnt er die Unbedarften am Eingang zum Salle des Devises mittels der Zwiebel „L‘Oignon“: Wer mich beißt, wird schreien, mach ihm nass die Augenlieder!

Devise de l'Oignon : Qui me mordra, pleurera !

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

Die eine ist wie die andere

Die Devisen gegen den Ungläubigen

Im zweiten Themenbereich geht es um sein Ressentiment gegen Madame de Montglas, seine Geliebte, die es gewagt hat, ihn im Anschluss an den Skandal um L’Histoire amoureuse des Gaules zu verlassen.

Der Graf ist äußerst nachtragend, insbesondere wenn es um diejenige geht, der er später den Beinamen „die Untreue“ verleiht. Er vergleicht sie abwechselnd mit einer Sirene der griechischen Mythologie sowie der römischen Göttin Fortuna und greift sie unablässig wegen ihrer Untreue und Unbeständigkeit an.

Er geht sogar soweit, die einzige geltende Regel dieses literarischen Spiels zu umgehen, indem er alle seine ehemalige Geliebte betreffenden Devisen mit einer menschlichen Figur versieht. Seine Erklärung:  "Da Monster erlaubt sind, betrachten Sie sie als solches!"

Devise Haec ut Illa
Devise Hac ut Illa : Elle est Lune et l'autre

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

Die gemischten Gaben von Frühling und Herbst

Ich mag dich auch nicht!

Man kann ohne Bedenken sagen, dass die Beziehung zwischen Ludwig XIV. und Roger de Rabutin - gelinde ausgedrückt - heikel ist, wo jeder stets behauptet: „Ich mag dich auch nicht”.

Der Graf hat das Unglück, zwischen zwei Regentschaften geboren zu sein, und den gesellschaftlichen Wandel nicht verstanden zu haben, der mit dem Sonnenkönig stattfindet. 

Das gegenseitige Unverständnis lässt sich an den Wänden des Saals ablesen. Roger de Rabutin bringt hier unablässig die Schwierigkeit zum Ausdruck, ein Höfling im Schatten des großen Herrschers zu sein. Das Werk „L’Oranger“ (Der Orangenbaum) veranschaulicht dies perfekt und spiegelt die Fragilität dieses Status mit dem Kernspruch „Die gemischten Gaben von Frühling und Herbst“ wider. An einem Tag kann man am Hof ganz oben stehen und am nächsten hat einen die ganze Welt 

Devise de l'Oranger : le Printemps et l'Automne mêlent leurs dons
Devise de l'Oranger (Roger de Rabutin) : le Printemps et l'Automne mêlent leurs dons

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

Je größer die Abkühlung, umso höher schlagen meine Flammen

Roger de Rabutin, Troubadour der Liebe

In seinem burgundischen Exil vertreibt sich Roger de Rabutin die Langeweile nicht nur mit der Schaffung der fantastischen und ergreifenden Inneneinrichtung, auch seine ersten Liebschaften sind unvergessen.

Als vor allen Dingen galanter Kavalier erteilt der berühmte Autor der Maximes d’Amours in seinem Herrensitz auch unermüdlich Ratschläge in Herzensangelegenheiten. Das bewahrt ihn allerdings nicht davor, die Qualen einer nicht erwiderten Zuneigung zu erleiden, wie „La Cruche d’eau“ (Der Wasserkrug) schön veranschaulicht: „Je größer die Abkühlung, umso höher schlagen meine Flammen”!

Devise de la cruche d'eau (Mme de Sévigné) se déversant sur la chaux vive (Roger de Rabutin) : plus elle me refroidit, plus je m'enflamme

© David Bordes / Centre des monuments nationaux

Jetzt sind Sie am Zug

Sie haben nunmehr alle Schlüssel in der Hand, um dieses mysteriöse Dekor zu dechiffrieren: Die 38 Devisen des Schlosses warten nur noch auf Sie, um geknackt zu werden.

Sind Sie bereit für die Herausforderung? Kommen Sie ins Burgund und versuchen Sie, diese „Bänder sprechenden Bilder“ zu dechiffrieren!

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